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Der perfekte Hund – und warum das ein Problem ist

  • irinastricker
  • 3. Juli
  • 2 Min. Lesezeit

In einer Gesellschaft, in der alles perfekt sein muss – das Aussehen, der Job, das Haus, die Einrichtung, die Anzahl der Kinder, ihr Aussehen, ihr Verhalten – bleibt kein Lebensbereich mehr unangetastet vom Streben nach Makellosigkeit.

Selbst der Hund muss mittlerweile „perfekt“ sein: folgsam, ruhig, freundlich zu jedem Menschen und Hund, gepflegt, gut riechend, sozial kompetent, aber bitte nicht aufdringlich.

Und wehe, er bellt.


Wir scrollen durch soziale Medien und sehen Wohnzimmer, die aussehen wie aus dem Einrichtungskatalog. Menschen, die morgens um 6 meditieren, mittags ihren Traumjob ausüben und abends in stylischer Activewear mit einem wohlerzogenen Vierbeiner durch den Park joggen.


Und dieser Hund, der bleibt immer brav an der Seite, begrüßt freundlich und bellt natürlich niemanden an.


Kein Ziehen an der Leine, kein wildes Schnuppern, kein Bellen – schon gar kein "Fehlverhalten".


Was dabei oft vergessen wird: Ein Hund ist ein Lebewesen. Mit Charakter. Mit Eigenheiten. Mit Emotionen, Ängsten, Bedürfnissen – genau wie wir.


Ein Beispiel: Viele Hunde leben in dicht besiedelten Wohngegenden. Straßen mit vielen Hunden, vielen Menschen, viel Lärm. Für uns ist das Alltag. Für einen Hund ist das sein Revier. Und was macht ein Hund im Revier? Er markiert es. Und wenn jemand an seinem Revier vorbeigeht? Dann wird gemeldet: „Achtung, Eindringling!“ Das ist aus hündischer Sicht völlig normales Verhalten. Wer täglich seinem Hund erlaubt, den eigenen Straßenabschnitt zu markieren, gibt ihm – bewusst oder unbewusst – die Verantwortung für dieses Revier. Und wenn dann plötzlich jemand „sein“ Gebiet betritt, bellt er. Nicht, weil er „ungezogen“ ist. Sondern weil er denkt, es ist seine Aufgabe, das Revier zu schützen.

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Natürlich kann man daran arbeiten. Man kann dem Hund durch Training beibringen, dass er diese Verantwortung nicht tragen muss. Aber der Gedanke, dass sein Verhalten falsch oder „unperfekt“ ist, greift zu kurz. Es ist hündisch. Natürlich. Verständlich.

Perfektion ist eine Illusion. Und der Versuch, unseren Hunden diese aufzuerlegen, nimmt ihnen das, was sie eigentlich sind: echte, ehrliche, einzigartige Wesen mit eigenen Persönlichkeiten.

Ein Hund darf bellen. Er darf Macken haben. Er darf uns spiegeln, nerven, herausfordern. Und genau das macht ihn zu einem echten Gefährten – nicht seine "Perfektion", sondern sein Wesen.

Vielleicht wäre es Zeit, nicht nur bei uns selbst, sondern auch bei unseren Hunden ein bisschen gnädiger zu werden. Weg von der Idealisierung, hin zu mehr Verständnis.


Denn am Ende ist das, was uns wirklich verbindet, nicht das perfekte Bild – sondern die echte Beziehung.



 
 
 

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